Ein Bericht von Claudia Miersch, 8.6.2020
„Sehr geehrter Dr. Banting,
ich wünschte, sie könnten mich sehen. Ich bin nun ein dicker Kerl und das ist gut so. Ich kann endlich auf Bäumen klettern …Ganz viel Liebe Teddy Ryder.“
Vor 100 Jahren - Typ-1-Diabetes im Fokus
Der 5-jährige Theodore Ryder2 gehörte 1922 zu den ersten Patienten weltweit, die zur Behandlung von Diabetes Typ 1 Insulin bekamen. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine Therapie für die jugendliche Form dieser Stoffwechselerkrankung und die Lebenserwartung betrug nur wenige Jahre. Die einzige Möglichkeit das Leben doch noch für einige Monate zu verlängern, war eine chronische Hungerdiät.
Durch die Entdeckung des Hormons Insulin verlor diese Erkrankung ihren tödlichen Schrecken und führte zu einem Wendepunkt in der Diabetesgeschichte. Denn in den letzten 100 Jahren stellte nicht mehr die fehlende Therapieoption bei Typ-1-Diabetes die Ärzte und Wissenschaftler vor Herausforderungen, sondern die seit Jahren massiv steigenden Typ-2-Fälle und die Suche nach einer Präventionsstrategie.
Vor 60 Jahren - Typ-2-Diabetes nimmt zu
Vor 60 Jahren lag die Diabetes-Häufigkeit in Deutschland noch bei 0,6 Prozent. Seitdem steigen die Zahlen kontinuierlich an und der so genannte Altersdiabetes hat sich von einer Randerscheinung zur Volkskrankheit entwickelt.
Die verbesserten Lebensumstände seit dem 2. Weltkrieg führten zu einer vermehrten Aufnahme von kalorienreicher Nahrung und weniger körperlicher Bewegung. Der Anteil übergewichtiger Personen in der Gesamtbevölkerung begann zu steigen. Diese Veränderungen sind in vielen Industrieländern zu beobachten, allen voran in den USA, wo laut dem jetzigen Diabetesreport 10,5 Prozent der Bevölkerung bereits an Diabetes erkrankt ist und weitere 35 Prozent eine Diabetes-Vorstufe besitzen, also ein stark erhöhtes Risiko haben, in den nächsten Jahren Diabetes zu entwickeln.1 (Grafik)
Heute - Diabetes Typ 2 ist eine Volkskrankheit
In Deutschland gibt es aktuell etwa 7 Millionen Menschen mit Diabetes, das entspricht 8,4 Prozent.2 Jährlich kommen 500.000 Neuerkrankungen hinzu – genauso viele neu diagnostizierte Fälle wie bei Krebs! Gegenüber dem Jahr 1998 sind die Zahlen um 38 Prozent gestiegen. Über 95 Prozent der Betroffenen sind Typ-2-Diabetiker.
Trotz der bereits hohen Zahlen geht man weiterhin von einer hohen Dunkelziffer aus. Man schätzt, dass es etwa 2 Millionen undiagnostizierte Diabetesfälle in Deutschland gibt.
Experten gehen davon aus, dass in 20 Jahren die Zahl der Diabetiker bei 12 Millionen liegen könnte.
Diabetes Typ 2 ist regional
Diabetes ist dabei regional ungleichmäßig verteilt. Im Osten unseres Landes erkranken mehr Menschen an Altersdiabetes als im Westen (11,6 zu 8,9 Prozent). Etwa 10 Prozent der deutschen Gesundheitskosten entfallen auf direkte medizinische Behandlung des Typ-2-Diabetes. Davon entfallen zwei Drittel auf Folgeerkrankungen des Diabetes wie Nierenerkrankungen, Herzerkrankungen, diabetischer Fuß oder Amputationen. Nicht berücksichtigt dabei sind indirekte Kosten wie zum Beispiel Arbeitsunfähigkeit und Frühverrentung. Der volkswirtschaftliche Schaden ist immens.
Aber es gibt auch Licht am Ende des Tunnels. Gelingt es Menschen mit Diabetes Typ 2 erfolgreich Gewicht durch eine Ernährungstherapie zu verlieren, können sich die Symptome der Diabetes zurückbilden. Der Therapieerfolg ist dabei abhängig von der Gewichtsreduktion. Je höher diese ausfällt, desto geringer ist die gesundheitliche Beeinträchtigung durch den Diabetes.3
Beitrag vom 08.06.2020; letzte Aktualisierung am 08.06.2020
Quellen (letzter Abruf Juni 2020):
1. https://www.cdc.gov/diabetes/pdfs/data/statistics/national-diabetes-statistics-report.pdf
2. https://bantinghousenhsc.wordpress.com/2018/09/27/the-long-life-of-one-of-bantings-first-patients/