Voraussetzung für Leistungen aus der Pflegeversicherung ist ein Pflegegrad. Bevor Pflegeleistungen bewilligt werden, erfolgt eine Prüfung des Ausmaßes der Einschränkungen des Antragsstellers vor Ort. Die richtige Antragstellung und Vorbereitung auf den "Hausbesuch" tragen zur Bewilligung der Pflegeleistungen bei.

Nach der Antragstellung auf Pflegeleistungen bei der Krankenkasse erfolgt durch den „Medizinischen Dienst der Krankenkassen“ (MDK) oder einem durch die privaten Versicherungs­unternehmen beauftragten Dienst eine Begutachtung des Antragstellers zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Viele Angehörige sorgen sich im Vorfeld vor diesem Hausbesuch, der notwendig ist, um das Ausmaß der Einschränkungen des Antragsstellers beurteilen zu können.

Nur selten – zum Beispiel aufgrund von Corona-Verordnungen – erfolgt eine Entscheidung allein auf der Grundlage vorliegender Befunde ohne eine erneute Begutachtung. Stattdessen wird seit der Pflegereform zum 1.1.2017 ein standardisiertes Verfahren beim Besuch angewendet, um eine vergleichbare Einordnung der Pflegebedürftigkeit zu erreichen – und dabei auch die noch vorhandenen Fertigkeiten in einen Gesamt­zusammenhang mit den festgestellten Defiziten bringen zu können. Hierbei spielt heute nicht mehr der Hilfebedarf in Zeiteinheiten eine Rolle. Stattdessen wird anhand eines Punktesystems in verschiedenen Kategorien ermittelt, ob und welcher Pflegegrad angemessen ist.

Ein Antrag auf Pflegeleistungen ist beim Typ-2-Diabetes aufgrund der Folge­erkrankungen und des oft höheren Alters der Erkrankten ein wichtiges Thema.

Begriffsbestimmung: Pflegebedürftigkeit

Sie sind nach § 14 SGB XI pflegebedürftig, wenn Sie „gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen“. Sie können „die körperlichen, kognitiven oder psychischen Beeinträch­tigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen“. Darüber hinaus muss die Pflege­bedürftigkeit „auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate“ bestehen und eine gewisse Schwere aufweisen. Sofern Sie diese Voraussetzungen möglicherweise erfüllen, lohnt sich ein Antrag auf Feststellung von Pflegebedürftigkeit.

Gemeinsam einen Antrag ausfüllen.

HINWEISE

 

Vorbereitung des Besuchs des MDK oder eines gleichwertigen Dienstes

  • Reichen Sie vorab alle vorhandenen Arztbriefe, Befunde oder Abschlussberichte aus Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalten bei der Pflegekasse ein. Bitten Sie andernfalls oder auch ergänzend, dass ihr Hausarzt etwaige Unterlagen bereitstellen möge, damit Sie diese gegebenenfalls beim Besuch des begutachtenden Dienstes vorlegen können.
  • Wenn Sie den Antrag im Namen eines pflegebedürftigen Angehörigen ausfüllen, informieren Sie Ihren Angehörigen über den Besuch. Verdeutlichen Sie, dass dieser zum Wohle des Antragstellers erfolgt. Unterstreichen Sie den helfenden Charakter der Begutachtung und versuchen Sie, auf diesen Termin wiederholt, aber ruhig und stets in positivem Licht hinzuweisen. Machen Sie klar, dass nichts gegen den Willen des Antragsstellers geschieht, sondern es für eine optimale Betreuung wichtig ist, den Bedarf an Unterstützung neutral einzuschätzen.
  • Notieren Sie sich am besten im Vorfeld bereits, bei welchen konkreten Aufgaben im Haushalt der Angehörige Hilfe benötigt – und in welchem Umfang. Dafür sind möglichst genaue Angaben wichtig (beispielsweise: statt „Hilfe beim Anziehen“ viel eher „Er/Sie kann die Schuhe nicht mehr eigenständig binden“).
  • Bleiben Sie bei den Angaben gegenüber dem Dienst ehrlich. Das bedeutet einerseits, verlangen Sie Ihrem Angehörigen nicht die Aussage über zusätzliche Gebrechen oder schwerere Leiden als tatsächlich ab, bleiben Sie bei den Auswirkungen der Einschränkungen objektiv, auch wenn das unter der Belastung der täglichen Anforderungen schwer ist. Machen Sie dem Antragsteller andererseits deutlich, dass nicht nur für ihn, sondern besonders auch für Sie eine pflegerische Hilfestellung wichtig ist – und es deshalb darauf ankommt, Beschwerden und Funktionsstörungen nicht zu verharmlosen. Erklären Sie behutsam, dass die Begutachtungssituation dem Alltag ähneln soll, also keinerlei Anstrengung unternommen werden muss, sich „besser“ darzustellen als sonst. Versuchen Sie gleichermaßen auch nicht, den Zustand Ihres Angehörigen zu dramatisieren. Dies könnte sich als erkennbar unrealistisch herausstellen und entsprechend die Begutachtung beeinflussen.
  • Achten Sie darauf, dass Haushalt und Umgebung beim Besuch des Dienstes dem gewohnten Zustand entsprechen. Verbessern oder verschlechtern Sie also die Außendarstellung nicht.
  • Fertigen Sie im Vorfeld auch Aufzeichnungen über die seelischen, sozialen und kognitiven Fertigkeiten des Antragsstellers an. Nach der Pflegereform sind diese Fähigkeiten ebenso bedeutsam für die Berechnung des Pflegegrades wie die körperlichen und die alltagsbedingten Besonderheiten, zu denen auch das Einhalten eines geregelten Tagesablaufs gehört. Notieren Sie etwaige Schlafstörungen, depressives, ängstliches oder wahnhaftes Verhalten, Vergesslichkeit und Desorientiertheit. Vermerken Sie, ob Interaktionen zu bekannten und unbekannten Menschen fortbestehen, ob wiederkehrende Aufgaben (Bedienen des Fernsehers, Nutzung der Kaffeemaschine, Auffinden von Waschutensilien…) bewältigt werden können. Auch nach dem neuen Begutachtungsverfahren bleiben die Beobachtungen und Aufzeichnungen der Angehörigen elementar für die Einschätzung des Dienstes.
  • Helfen Sie Ihrem Angehörigen bei der Beantwortung gestellter Fragen durch den Dienst nur bei Notwendigkeit, geben Sie ihm die Möglichkeit, möglichst viele Angaben selbstständig zu tätigen. Lediglich bei Details über die Anamnese (Krankheitsgeschichte) oder persönlichen Informationen sollten Sie im Zweifel unterstützend eingreifen. Vermeiden Sie, bei Problemen oder Reaktionsverzögerung emotional zu reagieren oder den Angehörigen unter Druck zu setzen („Das musst du doch wissen…“). Das verzerrt die Begutachtung.
  • Gehen Sie davon aus, dass die Dienste geschulte Mitarbeiter in die Begutachtung schicken. Diese sind also routiniert im Umgang mit den Herausforderungen verschiedener Krankheitsbilder, bedürfen entsprechend auch keiner Belehrungen und sind in der Lage, die Situation differenziert einzuschätzen.
  • Halten Sie ergänzende Dokumente bereit, beispielsweise über vorherige Begutachtungen, den Bescheid des Versorgungsamtes über Schwerbehinderung oder andere Bescheinigungen von Ämtern, Krankenkassen oder Versicherern.
  • Nach der Begutachtung verzichten Sie auf zusätzliches Nachfragen. Je nach Andrang kann es mehrere Monate dauern, bis ein Bescheid erteilt wird. Dies hängt auch maßgeblich von der Dringlichkeit jedes einzelnen Falles ab. Sobald der Pflegegrad erteilt ist, können Sie über die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen entscheiden. Hierüber informieren Sie die zusätzlichen Informationsblätter oder die Sozial- und Pflegesprechstunde.

Der Autor dieses Ratgeberbeitrags, Dennis Riehle, berät ehrenamtlich Menschen mit Diabetes in sozialen Fragen. Sie können sich per E-Mail an ihn wenden und bekommen per Mail die Antwort. 

Beitrag vom 20.1.2022; letzte Aktualisierung am 20.1.2022

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