Frauen mit Diabetes über sexuelle Funktions­störungen und sexuelle Unlust aufzuklären, ist ein Anliegen von Dr. Astrid Tombeck. Im Video-Expertenfilm erläutert sie Ursachen, mögliche Therapien und Präventions­maßnahmen. Sie möchte erreichen, dass zu diesen Themen Frauen in der Diabetesberatung geschult werden.

Dr. Astrid Tombek - Vorwort

In dem folgenden Kurzfilm möchte ich über Diabetes und Sexualität bei Frauen sprechen. Hierbei möchte ich insbesondere auf die sexuelle Dysfunktion bzw. sexuelle Unlust bei Frauen mit Diabetes eingehen. Aber ich möchte auch das Gesamtbild der hormonellen Einflüsse auf den Diabetes und die möglichen Begleiterkrankungen wie Blasenentzündungen oder Pilzinfektionen besprechen, die bei Frauen mit Diabetes häufiger auftreten und ebenfalls Einfluss auf die Sexualität nehmen. 

Ich bin Ökotrophologin und Diabetes­beraterin DDG (Deutschen Diabetes Gesellschaft) und arbeite am Diabetes-Zentrum Bad Mergentheim und leite dort die Schulungs­abteilung. Mit Diabetes beschäftige ich mich seit meiner Doktorarbeit. Mein Anliegen ist, dass das Thema Sexualität bei Frauen mit Diabetes kein Tabu­thema sein sollte, sondern ein Thema in jeder Schulung und Beratung.

Dr. Astrid Tombek

Dr. Astrid Tombek Portrait

Diabetes und sexuelle Dysfunktion - ein Tabuthema

Das Thema sexuelle Dysfunktion und Diabetes ist auch heute noch in der Diabetologie ein tabuisiertes Thema. Die erektile Dysfunktion beim Mann ist etwas geläufiger geworden, seitdem die Behandlungsmöglichkeiten durch Medikamente wie Viagra oder Cialis und die Penis-Vakuumpumpe erstattungsfähig geworden sind. 

Das Thema Diabetes und Sexualität bei Frauen gestaltet sich etwas komplexer. Es reicht von allgemeinen hormonellen Einflüssen, über mögliche Begleiterkrankungen durch hohe Glukosespiegel hin bis zur Folgeerkrankung der sexuellen Dysfunktion.

Hormone und Diabetes im Allgemeinen  

Die weiblichen Sexualhormone haben Einfluss auf die Glukosewerte und den Insulinbedarf. So merken viele Frauen beispielsweise vor der Periode eine zunehmende Insulinresistenz mit höheren Zuckerwerten und mit Beginn der Blutung dann plötzlich eine stärkere Insulinwirkung - einhergehend mit einer Neigung zu Unterzuckerungen. Eine Einnahme von Hormone wie die Pille können den Verlauf glätten, aber auch den Insulinbedarf erhöhen. 

Ein weiteres Risiko ergibt sich nicht durch den Diabetes an sich. Vor Einnahme von Hormonpräparaten sollten Sie immer mit Ihrem Frauenarzt darüber beraten und überlegen, welche Verhütungs­methode für Sie in Frage kommt. Eine ungewollte Schwangerschaft bei schlecht eingestelltem Diabetes gilt es zu vermeiden. Auch bei Beginn der Menopause verspüren viele Frauen zunehmend schwankende Glukosewerte, die oftmals nur schwer in Griff zu bekommen sind. Oft werden dann auch Unterzuckerungen durch auftretende Hitzewallungen schlechter wahrgenommen. Hier können pflanzliche Präparate wie z.B. mit Rotklee die Beschwerden lindern.

Sexuelle Dysfunktion bei Frauen - Symptome

Besonders, wenn die Hormone der Schilddrüse verändert sind - und dies betrifft jede siebte Frau und bei Frauen mit Diabetes etwa doppelt so viele - können sowohl Periodenbeschwerden als auch Menopausen-Beschwerden stark beeinflusst werden. Dies führt häufig zu sehr starken, unregelmäßigen und langen Blutungsverläufen. Letztendlich führen hohe Glukosewerte zu einer Austrocknung der Schleimwände, was zu einer Scheidentrockenheit führt. Auch eine schlecht eingestellte Schilddrüse verursacht eine trockene Scheide. Bei Fragen zu Ihren Laborwerten, wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Diabetesberaterin. 

Sexuelle Dysfunktion bei Frauen- Begleiterkrankungen  

Viele Frauen mit Diabetes neigen zu Blasenentzündungen und Scheidenpilzinfektionen. Bei einem schlecht eingestellten Blutzucker ist das Risiko dabei um ein Vielfaches erhöht. Sollte eine Infektion vorliegen, sollte zunächst auf Geschlechtsverkehr verzichtet werden und entsprechend mit Salbe, Zäpfchen oder Tabletten behandelt werden. Ihr Frauenarzt kann Sie dazu beraten. Vorbeugend ist es wichtig, immer nach dem Sex auf Toilette zu gehen und durch Urin lassen den Harnleiter zu spülen. 

Auch einige pflanzliche Präparate können präventiv helfen. Durch Ansäuern des Scheidenmilieus kann das Risiko für Infektionen gesenkt werden. Wichtig ist aber natürlich auch eine gute Blutzuckereinstellung, um den Pilzkulturen gar nicht erst so viel Nahrungsangebot zu liefern. Sollten Sie Medikamente der SGLT-2-Hemmer Reihe wie Jardiance oder Forxiga nehmen, ist dringend darauf zu achten, dass Sie nach jedem Toilettengang den Intimbereich gut feucht reinigen. Hier kann für unterwegs feuchtes Toilettenpapier helfen oder eine kleine Handdusche wie beispielsweise von Happy-Po.

Sexuelle Dysfunktion bei Frauen- Ursachen

Die Ursachen einer sexuellen Unlust sind sehr vielfältig. Infektionen oder schlecht eingestellte Glukose-oder Schilddrüsenwerte oder allgemein ein Durcheinander im Hormonhaushalt können zu einer Scheidentrockenheit führen. Dadurch kann der Geschlechtsverkehr sehr schmerzhaft werden. 

Des Weiteren kann eine langjährige schlechte Blutzuckereinstellung eine Neuropathie (Nervenstörung) und/oder eine Durchblutungsstörung zur Folge haben. Hierdurch kann es ebenfalls zu einer trockenen Scheide oder zu sogenannten Lubrikationsstörungen - also nicht feucht werden - kommen. 

Aber auch psychische Erkrankungen oder Störungen des Körperbilds können beitragen, keine Lust auf Sex zu haben. So fühlen sich manche Frauen mit Diabetes durch Spritzstellen, blaue Flecken oder durch die Insulinpumpe oder dem Sensor weniger attraktiv oder hatten bereits schlechte Erfahrung mit einem Partner durch eine Unterzuckerung während des Geschlechtsverkehrs. 

Sexuelle Dysfunktion bei Frauen - Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung der sexuellen Dysfunktion ist genauso vielfältig wie ihre Ursachen. Medikamente haben in den Studien bei Frauen nur eine sehr geringe Beweiskraft und werden daher nicht verordnet. Was den Frauen oft hilft, sind verschiedene Beckenbodenübungen.

Elektrische Stimulations-Geräte zum Training des Beckenbodens, können vom Frauenarzt verschrieben werden und haben in Studien zum Teil gute Ergebnisse gezeigt. Auch andere Trainingsarten zur Stabilisierung des Beckenbodens sind hilfreich. Sie könnten hier die klassische Beckenbodengymnastik probieren oder auch Liebeskugeln. 

Bei reiner Scheidentrockenheit können natürlich auch Gleitgele helfen. 

Eine gute Blutzucker- und Hormoneinstellung ist ebenfalls wichtig. Sprechen Sie mit Ihrem Frauenarzt und Diabetologen darüber, was er Ihnen empfehlen würde.

Bei psychischen Ursachen ist ebenfalls ein Gespräch mit einem Psychologen oder eine Paarberatung hilfreich. Und vor allem reden Sie mit Ihrem Partner über Ihre Sorgen und Nöte. Nehmen Sie ihn mit, wenn es beispielsweise darum geht, den Blutzucker während des Geschlechtsverkehrs zu stabilisieren.

Sexualität ist Lebensqualität 

Nutzen Sie die Möglichkeit mit einem Arzt oder mit Ihrem Diabetesteam über sexuelle Probleme zu sprechen. Es gibt Hilfen, die Ihnen die Beschwerden erleichtern können und letztendlich gehört die Sexualität genauso zur Lebensqualität wie andere Dinge im Leben. 

Dr. Astrid Tombek

Der Experten-Videofilm mit Dr. Astrid Tombek ist im DDH-M YouTube-Kanalaufrufbar.

2022 DDH M Diabetes und Sexualität bei Frauen, Experten-Videofilm mit Dr. Astrid Tombek, © motionboard

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Die DDH-M hat diesen Experten-Videofilm Diabetes und Sexualität bei Frauen" mit freundlicher Unterstützung der TK Krankenkasse erstellt und veröffentlicht - herzlichen Dank dafür. Für die Inhalte des Films ist ausschließlich die DDH-M verantwortlich. (2022/2023)

Ebenso bedankt sich DDH-M bei Referentin Dr. Astrid Tombek. Vielen Dank auch unserem Filmteam motionboard mit Melanie und Robert Bastian, die die Diabetes-Experten-Videofilme in der Geschäftsstelle aufgezeichnet und im Filmstudio produziert haben. Allen Mitwirkenden gebührt ein herzliches Dankeschön.

Beitrag vom 4.12.2022, Text DDr. Astrid Tombek (gekürzt), Foto und Videofilmaufnahmen © motionboard Oktober 2022; letzte Aktualisierung am 4.12.2022