Die Antragstellung für einen Grad der Behinderung (GDB) mit Diabetes kann oft kompliziert und tückenreich sein. Um einen Schwer­behinderten­ausweis zu erhalten, müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erheb­liche Beeinträch­tigungen an der „Teilhabe am sozialen Leben“ vorliegen. 
Bild vorn des Schwerbehindertenausweises

Aufgrund des geforderten Nachweises der gravierenden Beeinträchtigung, verlangen die Versorgungsämter meist ausführliche Begründungen und wollen wissen, worin – abgesehen vom Messen und Spritzen – denn genau diese Beeinträchtigungen bestehen. Erschwerend kommt hinzu, dass nirgendwo definiert ist, ab wann ein Einschnitt „erheblich“ ist oder ab welchem Ausmaß die Lebensführung als „gravierend“ beeinträchtigt anzusehen ist. Entscheidend für den Erfolg des Antrags zur Feststellung einer Schwerbehinderung ist daher, dass man für die Behörde möglichst nachvollziehbar die krankheitsbedingten Auswirkungen beschreibt.

Eine Schwerbehinderung setzt voraus, dass aufgrund der Krankheit die „Teilhabe“ am gesellschaftlichen und sozialen Leben beeinträchtigt wird. Dies kann durch unmittelbare körperliche Auswirkungen der Fall sein, nicht selten führen aber auch psychische Belastungen zu solchen Einschränkungen. Auch der mit der Krankheit verbundene Therapie­aufwand kann erheblich belastend sein. 

Mit den nachfolgenden Checklisten und Broschüren möchten wir Sie und Ihren Arzt bei der Antragstellung unterstützen, damit Sie möglichst schnell den Ausweis in den Händen halten.

Broschüre Titelfoto Antrag auf Schwerbehinderung

Wie erhalte ich einen Schwerbehindertenausweis?

Falls Sie einen Schwerbehindertenausweis beantragen möchten, ist hierfür ein Antrag beim zuständigen Versorgungsamt der Landratsämter einzureichen. Die Antragsformulare erhalten Sie dort oder in Ihrem Bürgerbüro, aber auch bei der Sozialberatung. Zögern Sie nicht, Ihren Antrag zu stellen. Sie haben ein Recht darauf, dass Ihr Anliegen geprüft wird. 

Um Ihnen das Vorgehen zu erleichtern, hat Dennis Riehle Hinweise und Informationen in diesem Beitrag zusammengefasst.

Was heißt es schwerbehindert zu sein - eine Begriffsbestimmung.

Sie gelten nach § 2 SGB IX als „behindert“, wenn Sie „körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben“, die Sie „in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können.“ Eine Beeinträchtigung liegt demnach vor, wenn Ihr „Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht“. Vermuten Sie das Vorliegen dieser Voraussetzungen, sollten Sie mit dem Gedanken spielen, einen Antrag auf Schwerbehinderung zu stellen.

Allgemeine Tipps zum GdB Antrag

Sie beantragen zunächst einen „Grad der Behinderung“ (GdB), also eine Einstufung über das Ausmaß Ihrer Behinderung. Setzen Sie dort das entsprechende Kreuz, beziehungsweise formulieren Sie diesen Antrag im Begleitschreiben, damit ein GdB in Zehnerschritten von 0 bis 100 festgesetzt werden kann. Ab GdB 50 gelten Sie als „schwerbehindert“ und erhalten auf Wunsch einen Schwer­behinderten­ausweis (bitte ankreuzen). Mit einem geringeren GdB können Sie mit einem Schwerbehinderten, vor allem arbeitsrechtlich, gleichgestellt werden.

Fügen Sie dem Antrag einen Brief bei, in welchem Sie nochmals aus Ihrer persönlichen Sicht darlegen, welche funktionellen Einschränkungen durch Ihre Erkrankungen und Behinderungen im Alltag vorliegen. Wobei sind Sie beeinträchtigt? Was behindert Sie genau? Durch welche Störung sind Sie konkret und in welchem Zusammenhang und Umfang eingeschränkt? Welche Auswirkungen hat das auf Ihren Lebensalltag? Was können Sie nicht mehr tun oder wozu brauchen Sie Hilfe? Dabei ist keine medizinische Fachsprache, sondern viel mehr Ihre individuelle Einschätzung gefragt.

Formulieren Sie bei der Angabe Ihrer Funktions­beeinträchti­gungen (Krankheiten und Behinderungen) die Ihnen bekannten und vorliegenden Diagnosen, aber auch die Symptome und ihr jeweiliges Ausmaß. Achten Sie darauf, dass diese bereits seit mindestens sechs Monaten vorliegen müssen, um berücksichtigt werden zu können. Geben Sie unbedingt in der passenden Spalte an, welche Ursache den Behinderungen zugrunde liegt – auch, um möglicherweise Unfallfolgen oder Berufs­krankheiten berücksichtigen zu können.

Um größtmöglichen Erfolg zu haben, sollten Sie dem Versorgungsamt erlauben, auch von Ihnen nicht genannte, aber in ärztlichen Unterlagen vorliegende Erkrankungen und Behinderungen in die Bewertung aufzunehmen.

Benennen Sie alle behandelnden Ärzte, auch aus Ihrer Vergangenheit – und ermächtigen Sie das Versorgungsamt zur Einholung von Stellungnahmen all dieser Mediziner. Fügen Sie bereits alle Ihnen zur Verfügung stehenden Arztbriefe, Befunde und Gutachten in Kopie bei, mindestens aus den vergangenen fünf Jahren. Von allen anderen Ärzten und entsprechenden Stellen holt das Versorgungsamt automatisch Berichte ein, hierum müssen Sie sich nicht kümmern. Sie sollten lediglich die Freigabe erteilen, dass das Amt die Mediziner kontaktieren und Informationen anfordern darf.

Vergessen Sie nicht, anzugeben, wann Sie die einzelnen Ärzte letztens aufgesucht haben und ob Sie dort mit einer Überweisung Ihres Hausarztes vorstellig waren. Entsprechend kann sich das Versorgungsamt die Arbeit erleichtern und die Befunde gesammelt beim Hausarzt einholen.

Geben Sie nach Möglichkeit an entsprechender Stelle auch an, woher weitere Informationen über Ihren Gesundheits­zustand eingeholt werden können. Denken Sie an Physiotherapie, Psychotherapie, Ergotherapie, Soziotherapie, Blindenstellen, Gehörlosenhilfe etc.!

Falls Sie unsicher sind, ob Sie ein Merkzeichen beantragen sollen, können Sie dennoch problemlos ein Kreuz setzen. Das Versorgungsamt prüft, ob die Bedingungen vorliegen. Es entstehen Ihnen keine Nachteile im restlichen Verfahren, falls die Voraussetzungen nicht gegeben sind.

Sollten Sie parallel einen Antrag auf Feststellung von Pflege­leistungen, Erwerbs­minderungsrente oder sonstige Versorgungs- oder Entschädigungs­leistungen gestellt haben oder ein entsprechendes Verfahren laufen, ist dies zwingend im Antrag auf Feststellung der Schwer­behinderten­eigenschaft anzugeben. Es kann sein, dass dann die anderen Entscheidungs­träger kontaktiert werden, um dort weitere Informationen einzuholen. Hierfür müssen Sie jedoch die Ermächtigung geben. Dies gilt auch, wenn bereits in anderen Zusammen­hängen Gutachten angefertigt wurden, die nun als Grundlage für die Prüfung Ihres Schwer­behinderten­antrages genutzt werden können. Sollte bereits eine andere Stelle einen Entscheid über ihre „Minderung der Erwerbs­fähigkeit“ (MdE) oder einen „Grad der Behinderung“ getroffen haben, ist dies zu benennen und die zuständige Behörde anzugeben.

Schicken Sie ein Foto mit, damit Ihnen der Schwer­behinderten­ausweis im Falle eines positiven Bescheids umgehend zugesandt werden kann.

Beachten Sie, dass beim Antrag auf Änderung der Feststellung der Schwer­behinderten­eigenschaft (Folgeantrag) lediglich auf die Funktions­einschränkungen abgezielt wird, die sich im Vergleich zur letzten Feststellung verändert haben. Unverändert gebliebene Beeinträch­tigungen müssen nicht erneut aufgeführt werden.

Versuchen Sie, so gut wie möglich mitzuarbeiten. Je transparenter Sie dem Versorgungsamt Einblick geben, desto rascher ist eine Entscheidung möglich. Dies gilt auch, wenn Sie um weitere Unterlagen gebeten werden.

MERKZEICHEN

Falls Sie ein oder mehrere Merkzeichen (zusätzlich zum GdB mögliche Anerkennung von Nachteils­ausgleichen bei besonderer Beeinträch­tigung einzelner Funktionsbereiche, je nach Ausprägung der Behinderung) beantragen, achten Sie zusätzlich auf folgende Angaben, gegebenenfalls auf einem Beiblatt:

Merkzeichen „G“ (erheblich eingeschränkte Gehfähigkeit): Geben Sie an, wie weit Ihre beschwerdefreie Gehstrecke ist. Entscheidend ist dabei, wie weit Sie ohne Probleme laufen können, das heißt, ohne Unsicherheiten, ohne Schmerzen oder auch ohne längere Pausen. Beachten Sie, dass für eine Beeinträchtigung nicht nur Krankheiten der Extremitäten (also orthopädischer und neurologischer Art), sondern auch innere Erkrankungen (Atemwege, Herz-Kreislauf etc.) in Frage kommen. Selbst bei Störungen der Sinnesorgane kann das Gehen beeinflusst sein. Schildern Sie im Zweifel auf einem Extrablatt Ihr Gangbild, welche Beeinträch­tigungen Sie beim Laufen wahrnehmen und welche Auswirkungen das auf Entfernung und Ablauf des Gehprozesses hat. Wesentlich ist hier – wie bei all Ihren Angaben –, dass ein Mediziner die von Ihnen gemachten Angaben bestätigt.

Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung): Formulieren Sie, ob Sie an den Rollstuhl gebunden sind oder ob Gehbeeinträchtigungen vorliegen, die diesem Zustand gleichkommen. Zu denken ist dabei beispielsweise an Amputationen, Lähmungen oder schwerste neurologische Störungen, die mit der Bindung an ein ständiges Hilfsmittel zur Fortbewegung vergleichbar sind.  

Merkzeichen „B“ (Notwendigkeit der Begleitung): Formulieren Sie auf einem Extrablatt, weshalb Sie im Alltag, insbesondere im öffentlichen Nah- und Fernverkehr, eine Begleitperson benötigen. Schildern Sie, welche Beeinträch­tigungen ein alleiniges Nutzen von öffentlichen Verkehrs­mitteln unsicher machen. Denken Sie dabei nicht nur an Einschränkungen in der Bewegung, sondern auch in der Orientierung (kognitiv, durch Sehbehin­derungen etc.), in der Standsicherheit (neurologisch-orthopädische Beschwerden, Schwindel etc.), in der psychischen Stabilität (schwere Angst­störungen, psychotische Symptome etc.) oder durch innere Krankheiten.

Merkzeichen „Gl“ / „Bl“ und „TBl“ (Gehörlosigkeit / Blindheit / Taubblindheit): Schildern Sie, ob eine vollständige Taubheit oder eine Gehörlosigkeit vorliegt, die an die Taubheit heranreicht und welche sprachlichen, gestischen oder sonstigen Behinderungen der Artikulation und Mimik vorliegen. Bei einer Sehbehin­derung sollten Sie festhalten, wie gut Sie sich noch in Ihrem eigenen Wohnumfeld orientieren können, ob Ihr Gesichtsfeld eingeschränkt ist und wie hoch der Sehkraftverlust ist. Legen Sie dar, welche Beeinträch­tigungen im Straßenverkehr gegeben sind und ob Sie außer Haus noch ohne Begleitung zurechtfinden können. Sollte eine Taub­blindheit vorliegen, sollten Sie vor allem auf die kombinierten Funktions­beeinträch­tigungen durch Seh- und Hörstörung eingehen.

Merkzeichen „RF“ (Rundfunkgebühren): Schreiben Sie, welche Funktions­einschränkungen Sie nicht mehr am öffentlichen Leben (beispielsweise Musik-, Kunst-, Unterhaltungs­veranstaltungen etc.) teilhaben lassen. Begründen Sie, weshalb beispielsweise Sehstörung, Hörminderung, Bewegungs­beeinträch­tigung oder psychische Probleme Ihnen die Teilnahme an solchen kulturellen und sozialen Anziehungs­punkten verwehren.

Merkzeichen „H“ (Hilflosigkeit): Formulieren Sie, bei welchen alltäglichen Verrichtungen Sie seit mindestens sechs Monaten derart beeinträchtigt sind, dass Sie diese nur noch unter schwersten Anstrengungen oder mit Hilfe Außen­stehender erledigen können. Dazu gehören alle Elemente der Körperpflege, Anziehen, Notdurft, Nahrungs­aufnahme, aber auch Ansprache, Kommunikation, Wund- und Heilbehandlung, Begleitung im Straßen­verkehr, auf Reisen etc.! Geben Sie den Hilfebedarf genau an, beschreiben Sie auch, welche Funktions­beeinträch­tigungen zu der Inanspruch­nahme von Unterstützung führen.

Fehler bei der Antragsstellung können dazu führen, dass der Schwerbehinderten­ausweis nicht erteilt wird oder das Verfahren sich erheblich in die Länge zieht. Mit unseren Infobroschüren und Hinweisen von Dennis Riehle erhalten Sie wertvolle Tipps für den Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung.

Speziell zur „Schwerbehinderung mit Diabetes“ informiert die DDH-M:

Beitrag vom 09.05.2019; letzte Aktualisierung am 15.1.2022