Männern mit Diabetes und sexuellen Funktions­störungen erfolgreich helfen zu können, ist ein Anliegen von Dr. med. Christian Leiber-Caspers. Im Video-Expertenfilm erläutert er Ursachen, mögliche Therapien und Präventions­maßnahmen. Er möchte Patienten ermutigen, das Thema beim Arztbesuch anzusprechen.

Dr. med. Christian Leiber-Caspers - Vorwort

In dem folgenden Kurzfilm möchte ich über Diabetes und die Sexualität bei Männern sprechen. Ich werde hierbei vor allem auf Erektionsprobleme und den Testosteronmangel eingehen, da diese beiden Störungen bei Männern mit Diabetes sehr häufig vorkommen. 

Eine erfüllte Sexualität ist sicher auch für Männer mit Diabetes und deren Partnerinnen und Partner ein wichtiger Teil der Lebensqualität. Leider kommen bei Männern mit Diabetes sexuelle Störungen häufig vor. Daher möchte ich zwei der aus meiner Sicht wichtigsten Themen in diesem Zusammenhang jetzt näher beleuchten: Dies sind Erektions- bzw. Potenzstörungen, die medizinisch als erektile Dysfunktion bezeichnet werden und das Testosteron­mangel-Syndrom. Grundlage meiner Ausführungen sind die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesen Themen, so wie sie in den geltenden Leitlinien der Europäischen Urologenvereinigung EAU beschrieben werden.

Ich bin Urologe mit den Zusatz­bezeichnungen Andrologie und Sexual|medizin und arbeite seit Anfang 2022 in der Klinik für Urologie, Kinderurologie und Urogynäkologie des Alexianer Krankenhaus Maria-Hilf Krefeld. Vorher war ich 27 Jahre in der Klinik für Urologie des Universitäts­klinikums Freiburg beschäftigt. Außerdem bin ich derzeit Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Andrologie (DGA) sowie der 1. Vorsitzende des Informations­zentrums für Sexualität und Gesundheit (ISG). Mit Diabetes und den Folgen für die männliche Sexualität beschäftige ich mich seit mehr als 20 Jahren. 

Dr. med. Christian Leiber-Caspers

Dr. med. Christian Leiper-Caspers Portrait

Erektile Dysfunktion - ein Tabuthema

Natürlich fällt es keinem Mann leicht, über Probleme mit seiner Erektion zu sprechen. Dabei kommen Erektions­störungen bei Männern mit Diabetes sehr häufig vor.

Bezüglich der Ursachen von Erektions­störungen geht man heute überwiegend von körperlichen Störungen aus. Psychische Faktoren als alleinige Ursache einer erektilen Dysfunktion kommen eher selten vor, wenngleich die Psyche natürlich bei allen Männern mit Erektions­problemen mit betroffen ist. 

Für eine gute Erektion sind vor allem die Steuerung mit Hilfe der Nerven und intakte Blutgefäße verantwortlich. Die Penisarterien, in denen das Blut zu den Schwellkörpern fließt, haben nur einen Innen|durchmesser von 1 – 2 mm, sie sind also sehr dünn. Daher treten hier bei entsprechenden Risikofaktoren die Folgen auch besonders früh zu Tage. Man bezeichnet die Erektions­störung deshalb auch als ein Frühwarn-Symptom für grundsätzliche Probleme mit dem Gefäßsystem. Es gibt Studien zeigen, dass Erektions­störungen bei Männern, die später einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erleiden, in der Regel 6 – 8 Jahre vorher schon aufgetreten waren. Man sollte es also unter keinen Umständen so weit kommen lassen, dass durch eine Gefäßverkalkung das Blutgefäß vollständig verschlossen ist.

Feststellung einer Erektionsstörung  

Eine erektile Dysfunktion liegt erst dann vor, wenn über einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten in der Mehrzahl der Fälle die Erektion so schwach oder so kurz anhaltend ist, dass Geschlechtsverkehr nicht mehr möglich ist. Dann liegt eine ernsthafte Gesundheits­störung vor, die in der Regel auch erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit des betroffenen Mannes und seine Partnerbeziehung hat.

Zur Feststellung sind eine Erhebung der allgemeinen Kranken­geschichte und eine spezielle sexual­medizinische Befragung durch einen qualifizierten Arzt/Ärztin notwendig. Es gehören eine körperliche Untersuchung, speziell der Genital­organe, und eine Blutdruckmessung sowie bestimmte Labor­untersuchungen dazu. Unter Umständen muss eine weitergehende kardiologische Abklärung erfolgen. Spezielle Untersuchungen, wie die Durchblutungs­messung mit Ultraschall im Rahmen einer künstlichen Erektion, sind nur in Ausnahmefällen notwendig.

Behandlungsmöglichkeiten einer Erektionsstörung

Für Männer mit Diabetes und Erektions­störungen gibt es heutzutage erfreulicherweise verschiedene gut wirksame Therapie­möglichkeiten. An erster Stelle sehen die ärztlichen Leitlinien verständlicherweise die Behebung negativer Einflüsse bzw. deren Vermeidung vor. 

Die Identifikation und Therapie von behandelbaren Ursachen der Erektilen Dysfunktion ED über eine psycho-sexuelle und medizin-physikalische Behandlung sind immer eine Entscheidung mit dem Betroffenen gemeinsam. Der Ablauf:

  • Wünsche und Erwartungen der Betroffenen aufnehmen
  • Ausführliche Information und Beratung zu Therapiemöglichkeiten
  • Lebensstiländerung für ein gesundes Gewicht und gute Blutzuckerwerte, optimaler Blutdruck
  • chronischen Nikotinkonsum beenden

medizin-physikalische Therapie:

  • Medikamente in Tablettenform, bekannt als „Viagra“ oder „Potenzpille“, entweder bei Bedarf oder als Dauertherapie
  • Injektion gefäßerweiternder Medikamente direkt in die Penisschwellkörper
  • nicht-medikamentöse Alternativen wie die Anwendung einer Vakuumpumpe oder eines Penis-Implantats

Vakuumpumpe: Hierbei wird ein Plexiglaszylinder über den Penis gestülpt und dann durch Unterdruck passiv Blut in die Schwellkörper gesaugt. Ein Gummiring verhindert anschließend den zu schnellen Abfluss des Blutes. 

Penis-Implantat: Für die Männer mit Diabetes, die unter einer schweren organischen Erektionsstörung leiden und bei denen die zuvor genannten Methoden nicht wirksam sind, steht zuletzt mit dem Penis-Implantat seit jetzt fast 50 Jahren eine sehr gute und erfolgreiche Behandlungs­möglichkeit zur Verfügung. Hierfür werden heute in der Regel hydraulische Implantate verwendet, die vom Patienten selber aktiviert und deaktiviert werden können. 

Im Gegensatz zu den Tabletten und Medikamenten zur Injektion, werden Vakuum­pumpen und die operative Behandlung in der Regel von den Krankenkassen bezahlt. 

Testosteronmangel-Syndrom  

Das zweite Problem betrifft nicht nur die Sexualität. Auch wenn Testosteron das zentrale männliche Sexualhormon ist, Testosteron spielt im männlichen Organismus an vielen verschiedenen Stellen eine wichtige Rolle. Ein Mangel wirkt sich bei Männern im Besonderen negativ auf den Blutzucker- und Fettstoffwechsel aus.

Mögliche Folgen eines Testosteron-Mangel-Syndroms bei Männern mit einem Defizit von gesamt- oder bioverfügbarem Testosteron sind:

  • Nachlassen des sexuellen Verlangens
  • Störung des Fettstoffwechsels mit vermehrtem Bauchfett
  • Stimmungsschwankungen und Depression
  • Nachlassen der Muskelkraft und kognitiver Fähigkeiten
  • Hitzewallungen und Herz- Kreislauf-Störungen
  • veränderte Bildung von roten Blutkörperchen und Knochendichte-Minderung
  • Prostata-Erkrankungen
  • Einfluss auf Penis- Länge/Volumen
  • Insulin-Rezeptor-Resistenz bezügl. Diabetes mellitus Typ 2
  • Erektionsstörung

Dr. med. Christian Leiber-Caspers

Ursachen, Feststellung und Behandlung eines Testosteronmangels

Die Ursachen für einen Testosteronmangel können entweder eine gestörte Funktion der Hoden sein oder eine Störung im Bereich des Gehirns, wo die notwendigen Steuerungs­hormone ausgeschüttet werden. Bei Männern mit Diabetes und Übergewicht, welche beide Teile des sogenannten „Metabolischen Syndroms“ sind, kommt ein Testosteron­mangel in über 50 % aller Fälle, also sehr häufig, vor. Deshalb spielt seine Erkennung auch eine medizinisch wichtige Rolle.

Studien zeigen, dass Männer mit Diabetes und einem Testosteron­mangel eine verkürzte Lebens­erwartung haben. 

In zwei Laboruntersuchungen, möglichst am Vormittag und bei Nüchternheit, wird eine Bestimmung des Testosteron­spiegels im Blut empfohlen. Liegt der Testosteron­spiegel in beiden Messungen unter dem definierten Grenzwert ist die laborchemische Diagnose sicher. Die Diagnose eines Testosteronmangel-Syndroms darf aber dann nur gestellt werden, wenn auch typische Testosteronmangel-Symptome vorliegen.

Es gibt zwei etablierte Verfahren einer Hormon­ersatztherapie. Dies passiert entweder als Testosteron-Gel, welches täglich morgens an bestimmten Stellen auf die Haut aufgetragen wird, oder als Testosteron-Depot-Injektionen, welche in größeren Abständen in einen Muskel, typischerweise am Gesäß, gespritzt werden. 

Bei Männern mit Diabetes hat dies oft sehr positive Auswirkungen auf den Stoffwechsel bis hin zu einer relevanten Verbesserung des Diabetes selber. Die Behandlung eines Testosteron­mangel-Zustandes bei Männern mit Diabetes ist eine medizinisch notwendige Leistung, die von allen Kranken­kassen bei korrekter ärztlicher Indikationsstellung übernommen wird. 

An dieser Stelle möchte ich noch den wichtigen Hinweis geben, dass Testosteron entgegen der häufig geäußerten Sorge keinen grundsätzlich negativen Einfluss auf die Prostata hat. Bestimmte Prostata­erkrankungen müssen aber vor einer Behandlung mit Testosteron ausgeschlossen werden, sodass der vorherige Besuch bei einem Urologen oder einer Urologin bzw. einem Andrologen oder einer Andrologin unbedingt zu empfehlen ist.    Dr. med. Christian Leiber-Caspers

Prävention ist wichtig - Schlusswort

Durch eine optimale Einstellung Ihres Diabetes, regelmäßige körperliche Aktivität und Sport, die Vermeidung von Übergewicht und vor allem dem schädlichen Bauchfett sowie eine gesunde Ernährung, können Sie sowohl die Erektionsfunktion verbessern als auch ein Testosteronmangel-Syndrom vermeiden. 

Tun Sie also etwas für sich! Ansonsten möchte ich Sie ermutigen, mit Ihren Ärztinnen oder Ärzten auch ganz offen über sexuelle Probleme zu sprechen. Nur so kann Ihnen geholfen werden, und Hilfe ist in fast allen Fällen möglich. Ich wünsche Ihnen eine gute Gesundheit, eine erfüllte Sexualität und ein aktives Leben mit Diabetes. 

Der Experten-Videofilm mit Dr. med. Christian Leiber-Caspers ist im DDH-M YouTube-Kanal aufrufbar.

2022 DDH M Diabetes und Sexualität bei Männern, Experten-Videofilm mit Dr. med. Christian Leiber-Caspers, © motionboard

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Die DDH-M hat diesen Experten-Videofilm Diabetes und Sexualität bei Männern" mit freundlicher Unterstützung der TK Krankenkasse erstellt und veröffentlicht - herzlichen Dank dafür. Für die Inhalte des Films ist ausschließlich die DDH-M verantwortlich. (2022/2023)

Ebenso bedankt sich DDH-M bei Referent Dr. med. Christian Leiber-Caspers. Vielen Dank auch unserem Filmteam motionboard mit Melanie und Robert Bastian, die die Diabetes-Experten-Videofilme in der Geschäftsstelle aufgezeichnet und im Filmstudio produziert haben. Allen Mitwirkenden gebührt ein herzliches Dankeschön.

Beitrag vom 4.12.2022, Text Dr. med. Christian Leiber-Caspers (gekürzt), Foto und Videofilmaufnahmen © motionboard August 2022; letzte Aktualisierung am 4.12.2022