Bundessozialgericht urteilt über sogenannte „Genehmigungsfiktion“: Kein automatischer Rechtsanspruch auf Leistung bei Fristversäumnis
Ein Beitrag von Dennis Riehle, 4. Juni 2020

Es galt lange als eine gängige Praxis, die sogar das entsprechende Sozialgesetzbuch regelt:
Beantragen Versicherte bei Ihrer Kasse eine Sozialleistung, so konnte bisher davon ausgegangen werden, dass die Versicherung dem Antrag zustimmt, sobald sie eine bestimmte Frist versäumt und den Antrag reaktionslos belässt.
Nun hat das Bundessozialgericht (BSG) – im Gegensatz zu früherer Rechtsprechung – jedoch entschieden, dass dieses Vorgehen dem Antragsteller – also dem Versicherten – nur eine vorläufige Rechtsposition einräumt. Zwar bleibt der Grundsatz bestehen, wonach der Kassenpatient unter diesen Umständen auch weiterhin die Sachleistung einholen darf, denn die Verfahrensbeschleunigung und Sanktionierung der Krankenkasse, die hinter der sogenannten „Genehmigungsfiktion“ steht, bleibt nach der Entscheidung des BSG bestehen.
Somit muss die Kasse auch jene Leistung bezahlen, die nach den allgemeinen Grundsätzen des Krankenversicherungsrechts nicht erstattungsfähig sind. Der Patient muss sie aber künftig „gutgläubig“ eingeholt haben. Dies bedeutet, dass er weder in Kenntnis noch in grob fahrlässiger Unkenntnis vom Nichtbestehen eines solchen Anspruchs gewusst hat.
Für Patienten heißt das konkret: Sie tragen künftig das Risiko, eine selbstbeschaffte Leistung auch eigens bezahlen zu müssen – nämlich dann, wenn die Krankenkasse in ihrer Entscheidung über einen Leistungsantrag zu einem negativen Ergebnis gekommen ist. Der „vorläufige Rechtsanspruch“ ende dann, wenn die Gutgläubigkeit wegfällt.
Dies sei gegeben, wenn die Versicherung die Kostenübernahme für eine Leistung ablehnt – auch nach der dreiwöchigen Frist, die der Gesetzgeber für solch eine Prüfung seit dem Jahr 2013 vorsieht.
Die Kasse hat das Recht und ist verpflichtet, die ordnungsgemäße Übernahme von Kosten auch nach Fristende zu überprüfen. Damit scheint die im Sozialgesetz gültige Regel, wonach eine Leistung als genehmigt gilt, wenn die Versicherung ohne wichtigen Grund nicht innerhalb des vorgeschriebenen Zeitraums über die Bewilligung der Leistung entschieden hat, als hinfällig.
Für Patienten ist damit eine deutliche Schlechterstellung eingetreten, denn sie haben lediglich dann Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Kasse die selbstbeschaffte Maßnahme (nachträglich) übernimmt. Von ersten Patientenvertretern wurde deshalb Verfassungsbeschwerde gegen den Entschluss des BSG angekündigt.
Haben die Betroffenen also nicht das Geld, sich die entsprechende Leistung selbst zu beschaffen, geht der Anspruch durch eine spätere Ablehnung durch die Krankenkasse verloren. Der VdK, der das Verfahren offenbar betrieben hat, kündigt bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot an. *
Quelle:
https://www.aerztezeitung.de/Wirtschaft/BSG-kassiert-Anspruch-auf-Sachleistung-bei-versaeumter-Kassenfrist-409827.html
*https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/lediglich-anspruch-auf-selbstbeschaffung-bei-fristversaeumnis-der-krankenkasse