Viele Menschen mit Diabetes möchten über die Ernährung bessere Blutzucker­werte erreichen. Die Kur mit Hafer ist ein altbewährtes Hausmittel, die Insulin­empfindlichkeit zu erhöhen und die Blutzucker­werte zu senken. Ernährungs­wissen­schaftlerin Dr. Claudia Miersch hat dazu ausführlich recherchiert. 

Aktuell erlebt diese spezielle „Diät“ ihren zweiten Frühling als zusätzliche Behandlungs­option beim Altersdiabetes. Immer mehr Internisten und Diabetologen empfehlen ihren Patienten die Haferkur. Was genau sich hinter dieser Kostform verbirgt und welchen gesundheitlichen Nutzen sie hat, zeigen wir in diesem Beitrag.

Die Hafertage gehen auf den deutschen Internisten Carl von Noorden zurück, der intensiv zur Behandlung von Diabetes mellitus forschte. Mit seiner entwickelten „Haferdiätkur“ konnte bereits Anfang des 20. Jahrhunderts der Blutzucker von Diabetikern erfolgreich gesenkt werden. 

Hafer ist ein Süßgras und wirkt bei Insulinresistenz, da es kurzfristig die Empfindsamkeit der Zellen für das Insulin wieder erhöht und die Blutzucker­regulierung verbessert. Diese spezielle diätetische Maßnahme erlaubt über 2-3 Tage lediglich den Verzehr von Hafer, Brühe, Wasser und ein wenig Obst, Gemüse, Kräuter und Gewürze. Weitere Lebensmittel sind nicht erlaubt. 

Langfristig sollten Betroffene über Bewegung und gesunde Ernährung eine Gewichts­reduzierung erreichen, da die medikamentöse Behandlung des Diabetes nicht die Ursachen der Erkrankung beseitigt.

Nach heutigem Kenntnisstand wird die Insulin­resistenz als Ursache für den Typ-2-Diabetes angesehen. Die körpereigenen Zellen reagieren dann weniger sensibel auf das Hormon Insulin, wodurch die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin bilden muss. 

Kann die Bauchspeicheldrüse diesen erhöhten Bedarf nicht mehr decken, steigen die Blutzuckerwerte an. Das Zusammenspiel von Übergewicht, falscher Ernährung und Bewegungs­mangel fördern die Entstehung einer Insulinresistenz.

Wie werden die Hafertage durchgeführt?

Interessierte, die sich für Hafertage entscheiden, können eine 2- bis 3-tägige Kurzzeitkur durchführen. Hierbei werden ausschließlich warme oder kalte Haferspeisen, ergänzt mit etwas Obst und Gemüse, Kräuter oder Gewürze, verzehrt. Auch wenn die Umstellung für viele Betroffene erstmal nicht leicht ist, sollte man sich an die angegebenen Mengen halten. Die Kalorienzufuhr ist bei den Hafertagen deutlich reduziert und liegt etwa bei 800-1000 kcal.

So sieht eine Haferkur aus:

  • Pro Tag drei Hafer-Mahlzeiten mit je 75 g Haferflocken (insgesamt: 225 g )
  • Es gibt keine Zwischenmahlzeiten.
  • Haferflocken (kernig, zart oder Kleie) werden nur mit Wasser oder fettfreier Gemüsebrühe zubereitet.
  • Zur geschmacklichen Abwechslung sind etwas Obst (max. 50 g pro Tag) und Gemüse (max. 100 g pro Tag) erlaubt; Kräuter und Gewürze sind möglich.
  • Wichtig ist: Ausreichend trinken! Mindestens 2 Liter kalorienfreie Getränke.
  • Hafermahlzeiten im Rahmen einer "Haferkur" sind immer ohne Eiweiß und Fett - kein Öl, keine Butter, kein Ei, keine Milch, keine Schokoraspel usw.

Die Haferflocken kurz mit 300 - 500 ml Wasser oder Gemüsebrühe aufkochen und 5 min zum Quellen ruhen lassen. Anschließend je nach Belieben mit etwas Obst und Gemüse (siehe Tabelle) verfeinern. 

Tipp für die Zubereitung: Wer dem Haferbrei etwas mehr Geschmack verleihen möchte, kann die Haferflocken ohne Fett in der Pfanne kurz anrösten. 

Obstsorten mit sehr wenig Kohlenhydraten (weniger als 8 g auf 100 g)

BrombeerenErdbeerenHeidelbeeren
JohannisbeerenPapaya Zitrone / Limette

 

Obstsorten mit wenig Kohlenhydraten (weniger als 10 g auf 100 g)

KiwiStachelbeereAprikose
ApfelsineOrangeClementine
QuitteGrapefruitWassermelone

 

Gemüsesorten mit wenig Kohlenhydraten (weniger als 4 g auf 100 g)

AubergineBlumenkohlBrokkoli
ChicorèeChinakohlFenchel
GurkeSellerieTomaten
KohlKohlrabiLauch
MangoldPaprika, grünRadieschen
RettichSpargelSpinat
WirsingZucchiniBlattsalate

Was ist bei den Hafertagen zu beachten?

Durch die Haferkur kommt es zu einigen Stoffwechsel­veränderungen. Interessierte sollten daher folgende Aspekte berücksichtigen:

  • Haferkuren nur im Einvernehmen mit dem Arzt oder einer Beratungspraxis durchführen

Achtung: Sowohl abgewandelte Haferkuren, als auch strenge „Hafertage“, sollten zuvor mit dem Arzt oder Diabetologen abgesprochen werden. Bei insulin­pflichtigen Diabetikern muss die Insulinmenge während der „Hafertage“ angepasst werden. So kann die Gefahr eine Unterzuckerung minimiert werden.

  • engmaschige Kontrolle der Blutzuckerwerte bei insulinpflichtigen Diabetikern
  • ausreichende Flüssigkeitszufuhr über kalorienfreie Getränke
  • keine akuten Erkrankungen sollten vorliegen
  • moderate Bewegung, aber keine Überanstrengung
  • Umstellung der Ernährung nach den Hafertagen, um langfristige Erfolge zu erzielen

Wie oft und wie lange sollte man eine Haferkur machen?

Bei Dauer und Häufigkeit der Hafertage gibt es unterschiedliche Anwendungs­protokolle:

  • jede Woche 2 Hafertage über einen Zeitraum von 4-8 Wochen
  • regelmäßige Wiederholung der klassischen Haferkur nach 4-8 Wochen
  • Langzeitkur: Sechs „Hafermahlzeiten“ pro Woche oder in Form eines „Hafertags“
  • generell ist es von Vorteil, Hafer als festen Bestandteil in seine Ernährung einzubauen

Der Gesundheitszustand, die Lebenssituation und die Motivation sollten auf jeden Fall bei der Wahl des geeigneten Protokolls berücksichtigt werden.

Hafer als Getreide in seinen Erscheiningsformen als Pflanze, Korn und Gebäck.

So könnte ein Hafertag aussehen:

8:00 Uhr Frühstück
75 g Haferflocken mit 500 ml Wasser aufkochen lassen und anschließend ausquellen lassen; mit 25 g Kiwi (ca. 1/3 einer Frucht) und etwas Zimt verfeinern. Dazu 1 Tasse ungesüßter Kräutertee.

Zwischendurch: 1 großes Glas Wasser

12:30 Uhr Mittag

75 g Haferflocken mit 500 ml Gemüsebrühe aufkochen und ausquellen lassen. Mit Kräutern, Lauch und Tomaten (insgesamt 50 g) verzieren. Dazu ein großes Glas Wasser mit frischer Pfefferminze.

Zwischendurch: 1 große Tasse Malzkaffee (ohne Milch)

18:00 Uhr Abendessen

Zum Abendessen kann man sich entweder eine süße Frühstücksvariante mit 25 g Obst oder eine herzhafte Mittagsvariante mit 50 g Gemüse zubereiten. Dazu eine Tasse Tee.

Nährwerte für diesen Hafertag:
880 kcal; 138,1 g Kohlenhydrate (ca. 11,5 BE pro Tag bzw. 3,8 BE pro Mahlzeit); 31,7 g Eiweiß; 16,2 g Fett

Was bewirken die Hafertage?

Bisher gibt es nur sehr wenige Studien, die die Effekte der klassischen „Hafertage“ untersucht haben. Dennoch gibt es eine Reihe von Studien, die die Wirkung von Hafer auf den Stoffwechsel allgemein und bei Typ-2-Diabetikern erforscht haben:

  • Senkung des Blutzucker­spiegels nüchtern und nach dem Essen sowie bessere Blutzuckerkontrolle
  • Verbesserung der Insulinwirkung und dadurch besserer Stoffwechsel
  • Abbau des Leberfettes
  • Reduktion des Cholesterinspiegels
  • Verringerung des zusätzlichen Insulinbedarfs bzw. des Bedarfs an Diabetes-Medikamenten

Ausführliche Informationen zu der Wirkung von Hafer auf unseren Körper sind bei den Haferrezepten und im Informationsblatt (PDF) zu finden.

Mit leckeren Hafer­rezepten kann man seinen Speiseplan abwechslungsreich und vor allem gesund gestalten. Ich kann allen Menschen, egal ob stoffwechsel­gesund oder Patienten mit Diabetes, nur empfehlen, Hafer in die tägliche Ernährung einzubauen oder ab und zu die Haferdiätkur einzulegen, um den Stoffwechsel zu entlasten. 

Dr. Claudia Miersch, Ernährungs­wissenschaftlerin

Studien zum Effekt von Hafertagen

Bisher gibt es nur sehr wenige Studien, die die Effekte der klassischen „Hafertage“ untersucht haben. 

Dennoch gibt es Untersuchungen, die die Wirkung von Hafer oder Beta-Glukan auf den Stoffwechsel allgemein und bei Typ 2 Diabetikern erforscht haben.6-7 

Die wichtigsten Veränderungen, die eine Haferkur-Diät bewirken:

Senkung des Blutzucker­spiegels nüchtern und nach dem Essen sowie bessere Blutzucker­kontrolle.

  • In mehreren Studien konnte bestätigt werden, dass in Typ 2 Diabetikern ein regelmäßiger Haferkonsum die Blutzucker­werte weniger stark ansteigen lässt.8
  • Auch der Nüchtern­blutzucker­spiegel profitiert von einer haferhaltigen Kost.9

Verbesserung der Insulinwirkung und dadurch besserer Stoffwechsel

  • Forscher konnten bereits sehr umfangreiche Wirkungen von Hafer auf den metabolischen Stoffwechsel nachweisen: geringerer HbA1c-Wert, Cholesterin-Spiegel, LDL-Cholesterin-Spiegel und Insulinwerte.8
  • Beta-Glukan fördert die Aufnahme des Blutzuckers in die Muskel- und Fettzellen, wodurch die Insulin­sensitivität steigt und nachweislich sogar der Nüchtern­insulin­spiegel gesenkt wird.10

Abbau des Leberfettes

  • Durch die starke Kalorien­einschränkung (nur knapp 1000 kcal an den Hafertagen) kommt es zu einem raschen Abbau von Leberfett. Dies bewirkt eine rasche Verbesserung der Blutzucker­regulierung durch die Leber und erklärt auch die Senkung des Blutzucker­spiegels nach dem Essen und morgens vor dem Frühstück.11

Reduktion des Cholesterin­spiegels

  • Die im Hafer enthaltenen Ballaststoffe fördern die Ausscheidung von Gallen­säuren. Um neue Gallen­säuren zu bilden, braucht der Körper Cholesterin. Dadurch sinkt bei regelmäßigem Haferkonsum der Cholesterin­spiegel im Blut. Bereits 3g Beta-Glukane pro Tag (etwa 66g Haferflocken) können den Cholesterin­spiegel um 5-10% reduzieren.12

Verringerung des zusätzlichen Insulin­bedarfs bzw. des Bedarfs an Diabetes-Medikamenten

  • Schon zwei Tage klassische „Haferkur“ können zu einer deutlichen Verbesserung im Zuckerstoffwechsel führen. Der Insulinbedarf kann laut einer Studie im Schnitt um ca. 40 % gesenkt werden.
  • Die Hafertage erzielen einen Lang­zeiteffekt bei vielen Patienten, sodass über einen ca. vierwöchigen Zeitraum nach Beendigung der Hafertage, ein geringer Insulinbedarf besteht. 13

 Nährwerte pro 100 g Hafer1

Energie370 kcal
Fett7 g
Kohlenhydrate63,3 g
Eiweiß (Protein)13 g

Ballaststoffe

davon Beta-Glucan

9,7 g

4,5 g

Vitamin B10,59-0,65 mg (TB* 1-1,3 mg)
Biotin20 µg (TB* 30-60 µg)
Magnesium130-140 mg (TB* 300-400 mg)
Phosphor390 mg (TB* 700 mg)
Mangan4,5 -5 mg  (TB* 3-4 mg)
Eisen4,2- 4,6 mg (TB* 10-15 mg)
Zink4 mg (TB* 7-16 mg)

* TB = Tagesbedarf

Beitrag vom 15.11.2019; letzte Aktualisierung am 19.01.2021

Quellen (letzter Abruf Januar 2021):  
„Das besondere Korn der Natur“, Kathrin Bahr; Diabetes Journal 3-2019, S.38 ff.
https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/Mit-Hafer-Diabetes-und-Hautleiden-lindern,hafer102.html; 01.11.19
https://www.diabetes-ratgeber.net/Insulin/Insulinresistenz-27674.html; 04.11.19
https://www.alleskoerner.de; 09.01.2021
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19753601/; 09.01.2021
https://www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/1885; 09.01.2021
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/27872611/; 09.01.2021
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22187640/; 09.01.2021
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22835138/; 09.01.2021
https://www.mdpi.com/2072-6643/7/12/5536/htm; 09.01.2021
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26771637/; 09.01.2021
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21846371/; 09.01.2021
"Menschenstopfleber", Nicolai Worm; riva Verlag 2016
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21631511/; 09.01.2021
https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2007-984456; 09.01.2021